Am 02.02.2017 machten sich 21 Schüler der Q2, Herr Griffin und Frau van Laack auf den Weg nach Krakau. Als wir um 22 Uhr unser Ziel erreichten, hieß es nur noch kurz Essen gehen und dann zurück ins Hotel.
Freitag ging es dann um 9 Uhr los ins ehemalige Judenviertel Kacimierz. Dort durften wir mehrere Synagogen besichtigen und haben ebenfalls mehrere Drehorte des Films „Schindlers Liste“ gesehen. Vor allem der jüdische Friedhof war sehr erschreckend, da man dort gesehen hat, wie viele Menschen während dieser Zeit gestorben sind. Nachmittags haben wir ein Museum zu der Person und der Geschichte rund um Oskar Schindler besichtigt. Das Museum hat es uns ermöglicht, die Menschen in dieser Zeit besser zu verstehen. Sowohl die Angst der jüdischen Menschen, als auch der Gewissenskonflikt derer, die helfen wollten, es aber sehr schwer hatten, da jegliche Hilfe unter Todesstrafe stand, war deutlich spürbar.
Am Abend stand der für viele wohl bewegendste Teil auf dem Programm: das Zeitzeugengespräch. Die Zeitzeugin erzählte, wie sie als dreijähriges Kind nach Auschwitz Birkenau kam und dort fast 1 ½ Jahre um ihr Leben kämpfte. Sie kam mit ihrer Mutter nach Birkenau, weil das Dorf, in dem sie lebten, Partisanen geholfen hatte. Die Mutter wurde von ihrem Kind getrennt und arbeitete auf den Feldern, während ihre kleine Tochter in einer der Kinderbaracken unter fürchterlichen Bedingungen lebte. In der Zeit als sie dort war, führte Dr. Mengele, einer der berüchtigten Ärzte in Auschwitz, mehrere Experimente an ihr und den anderen Kindern durch. Die grausamen Schilderungen überstiegen all unsere Vorstellungskraft. Kurz bevor die Rote Armee am 27.01.1945 das Lager befreite, wurde ihre Mutter auf einen der Todesmärsche geschickt und unzählige Menschen getötet, obwohl längst klar war, dass sie keine Chancen mehr hatten. Jahre später hat unsere Zeitzeugin ihre Mutter wiedergetroffen. Dabei half ihr ironischer Weise auch die Nummer, die bis heute ihren Körper zeichnet. Später hat sie geheiratet und ein Kind bekommen. Laut ihrer eigenen Aussage, hatte sie unfassbar viel Glück, obwohl die Erinnerungen an diese Zeit Spuren hinterlassen haben, sowohl körperliche als auch seelische. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht Menschen an diese Zeit zu erinnern und ihnen einen Einblick in die Grausamkeit dieser Zeit zu geben. Niemand von uns wird wohl je dieses Gefühl des unfassbaren Grauens während ihrer Erzählung vergessen.
Am Samstag hatten wir dann die Gelegenheit den Ort des Grauens in Auschwitz zu besichtigen.
Unsere Führung startete im Stammlager Auschwitz und begann direkt vor dem Eingangstor mit der berüchtigt zynisch sarkastischen Aufschrift „Arbeit macht frei“. Unsere Führung ging zu Beginn an ganz ordentlich gepflegt aussehenden Backsteinhäusern vorbei, welche augenscheinlich erst einmal den Anschein einer friedlichen Siedlung machten. Das Erschreckende war, was uns anfänglich nicht ganz klar war, dass in diesen Baracken die Häftlinge untergebracht wurden und sie im Inneren konträr zur Fassade in einem desolaten Zustand waren. In einem Raum von der Größe eines Klassenraumes wurden auf Stroh und einigen Decken an die hundert Häftlinge untergebracht.
An den Wänden der Flure und Korridore befanden sich Fotos, Namen und Nummern einiger Häftlinge die ihren Akten entnommen wurden. Vielen waren Verzweiflung und Entsetzen ins Gesicht geschrieben. So manch einer konnte sogar seinen eigenen Familiennamen finden. In jeder dieser Baracken befand sich des Weiteren noch eine Ausstellung, die einen Eindruck der Menge der Opfer des Vernichtungslagers vermitteln sollte. So waren in einem Raum Schuhe der Häftlinge zu beiden Seiten des Ganges aufgestapelt. Auf unsere Frage hin wie viele Schuhe es denn nun genau seien, bekamen wir ein trockenes: genau wisse man es nicht, aber es seien so rund 4% der Schuhe, die in den Lagern gefunden wurden. Allein diese 4% können geschätzt sechs unserer Klassenräume füllen. Eine weitere Ausstellung zeigte sieben Tonnen Haare, die den Häftlingen entfernt wurden. Die aber eindrücklichste Ausstellung befand sich in einer der letzten Baracken und zeigte Bilder, Familienvideos und Fotos aus Auschwitz und von den Familien, die dorthin deportiert wurden, sowie Bilder von Überlebenden wie sie nach der Befreiung eher tot als lebendig und vollkommen abgemagert in den Baracken gefunden wurden. Das nächste Gebäude, das wir besichtigten, war das Gefängnis. Ein erst einmal etwas befremdliches Konzept: ein Gefängnis im Gefängnis, aber hier wurden alle die Häftlinge untergebracht, die als gefährlich angesehen wurden. In winzigen abgedunkelten Zellen von etwa einem Quadratmete wurden vier Häftlinge untergebracht. „Stehzelle“ nannten sie diese Art der Bestrafung, die dafür sorgte, dass die eh schon schwachen Häftlinge aufgrund der körperlichen Anstrengungen binnen weniger Tage an der Erschöpfung starben. War kein Platz in diesen Zellen wurden sie einfach alle zusammen auf dem Innenhof geführt entkleidet und exekutiert.
Als letztes besuchten wir noch die Gaskammer und das Krematorium des Stammlagers. Das Gefühl in einer Gaskammer zu stehen ist unbeschreiblich entsetzlich, unserer Ansicht nach aber eine Erfahrung, die man unbedingt einmal gemacht haben sollte, denn nirgendwo sonst auf dieser Welt wird der Schrecken des Holocaust so deutlich wie hier.
Am Ende des Tages haben wir noch unsere Erfahrungen untereinander ausgetauscht und sind uns einig geworden, dass das, was wir an diesem Tag gesehen haben, wohl das Menschenunwürdigste ist, das sich auf dieser Welt abgespielt hat. Uns war nicht klar, wie sehr wir uns irrten, aber das würden wir erst am nächsten Tag erfahren.
Am Sonntagmorgen wurden wir noch einmal von unserer Reiseleiterin Frau Dudek durch die schöne Altstadt Krakaus geführt und bekamen einige Sehenswürdigkeiten und Denkmale zu Gesicht und erläutert. Nachmittags fuhren wir dann mit dem Bus nach Auschwitz-Birkenau.
Die Ausmaße des Vernichtungslagers, welches das größte der Nationalsozialisten war, waren für alle von uns auf eine erschreckende Weise beeindruckend. Auf 150 Hektar – die heute nur Ausstellungsgelände sind, damals war die Anlage noch größer – konnte man die Spuren des Holocaust sehen und auch ein wenig spüren – wenn das überhaupt geht. Angefangen mit der sogenannten Rampe, der Endstation für die Züge, in denen die Juden teilweise wie Vieh zusammengepfercht deportiert wurden, über eine nahezu unüberblickbare Fläche von Resten der Baracken und Krematorien mit den Gaskammern am Rande eines doch so friedlich scheinenden Waldes bis hin zum See, in den die Asche der verbrannten Juden geschüttet wurde und um den herum – auch noch nach über 70 Jahren – Knochenreste der dort umgekommenen Menschen zu erkennen waren. In den Stunden inmitten der Trümmer und von Stacheldraht umzäunt konnte man sich immer mehr, aber natürlich nicht annähernd komplett, die damaligen Verhältnisse vorstellen: Unterwerfung, Verzweiflung, Einsamkeit, eisige Kälte, Todesangst.
Die gigantische Täuschung der Juden, ihr Glaube, sie seien nun an einem besseren Ort, war ein weiterer heftiger Fakt, den es für uns zu realisieren gab. Kaum Deportierte waren sich darüber im Klaren, dass Ihnen der Tod bevorsteht. Eine grauenhafte Vorstellung. So gab es sogar Fußballfelder, um den Eindruck zu erwecken, man verbringe dort nach der Arbeit vergnügliche Stunden in der Gemeinschaft.
Ohne Frage: Diese unfassbar schlimmen Tage – nein – Jahre unserer Weltgeschichte dürfen sich NIE wieder wiederholen. Dazu passt auch ein Zitat, auf das wir im Stammlager Auschwitz I gestoßen sind:
„Those who do not remember the past are condemned to repeat it.“ (George Santayana)
Wir sollten es uns und der Menschheit gegenüber als Pflicht ansehen, diese Grausamkeiten nicht vergessen und jene zu mahnen, die Gefahr laufen, dies zu tun.
Lena, Tobias und Nils, 2017