Franz Kafkas Werk ist zugegebenermaßen nicht jedermanns Sache. Da es allerdings nicht nur zur Weltliteratur gehört, sondern auch vielfältige Interpretationsansätze bietet, gehört es seit Jahrzehnten zum Schulkanon und wird bis 2018 auch im Zentralabitur Thema sein.
Unterstützt durch den Förderverein entschied die Fachschaft Deutsch deshalb, mit Dr. Reiner Stach den momentan wohl versiertesten Kenner Kafkas zu einem Vortrag an unserer Schule einzuladen. Stach hat gerade nach 18 Jahren Arbeit die dreibändige Biographie über den Prager Schriftsteller fertiggestellt, die sich in kürzester Zeit zum preisgekrönten Standardwerk entwickelt hat.
In der Aula hielt der Berliner Forscher einen Vortrag über „Kafkas Lebenswelt“, der mit historischen Karten und Fotos unterlegt war. So lernten die Schülerinnen und Schüler sowie die anwesenden Lehrer viel über das Prag des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Verhältnis von Tschechen, Deutschen und Juden im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn und insbesondere in der heutigen Hauptstadt Tschechiens war ebenso Thema wie die Kaffeehäuser und Schwimmbäder, die Kafka frequentierte. Natürlich waren auch die Wohnhäuser der Familie Kafka und ihr Geschäft in der Innenstadt Thema. Die Ausführungen zeigten deutlich, wie sehr Stach sich in die Materie vertieft haben muss, um das Leben dieses Ausnahmeschriftstellers und Mitbegründers der literarischen Moderne zu ergründen.
Für die Zuschauer – insbesondere die Q2, die bereits in Kürze im Abitur mit Fragen zum Prozeß (LK) oder zur „Verwandlung“ (GK) rechnen muss – stand natürlich die Literatur im Vordergrund. Diese wurde im Vortrag selbst nur am Rande thematisiert. Gleichwohl wurde deutlich, woher einige von Kafkas Motiven kommen, z.B. die Konfrontation des Individuums mit modernen Arbeitsverhältnissen und einem komplizierten Bürokratieapparat. Konkreter wurde es dann in der Fragerunde, in der die Schülerinnen und Schüler ihre Erkenntnisse aus dem Unterricht einbringen und erweitern konnten. Zwanzig Minuten lang stellte sich Dr. Stach den durchaus nicht trivialen Fragen über das „Ungeziefer“ in der „Verwandlung“ oder die Relevanz des Prozeß für die Facebook-Generation.
Dr. Stach äußerte sich nach Ende der anderthalbstündigen Veranstaltung erfreut über die rege Teilnahme an der Diskussion.