Und auf einmal stehen wir in den Räumen, in denen vor so vielen Jahren so viele unschuldige Menschen eine zu hohe Anzahl an Sekunden verbringen mussten.
Wir stehen mit 25 Leuten hier drin und der Raum ist gefüllt. Wir stehen in der Gaskammer mit dem Wissen, dass hier bis zu 1200 Menschen auf einmal drin waren und ihre letzten Atemzüge in Angst, Verzweiflung, Enge taten.
Es ist ein komisches Gefühl - so unbenennbar, so plötzlich, so anhaltend.
Und auf einmal sitzen wir vor der Zeitzeugin, die ihren Ärmel hochschiebt. Wir sehen ihre Häftlingsnummer in schwarz auf weißer Haut. Sie hat ihre Kindheit in Birkenau als Versuchskaninchen von Dr. Mengele verbracht.
Und auf einmal wird das vor so langer Zeit passierte Verbrechen, das so suspekt und unrealistisch scheint, wahr, real, greifbar.
Dann stehen wir in den Kinderbaracken. Überall kalte Steine, ein lockerer Boden mit festen Stolperfallen - ein Massenlager für die Kinder ohne vernünftige Schlafmöglichkeit, ohne irgendetwas - nur Hass, verbaut in den Baracken.
Ich stelle mir vor, wie die Kinder zusammengekauert hier liegen müssen, neben Leichen und ohne Platz. Ohne Wasser, ohne Nähe, ohne Alles. Wie sie wegrennen, sich in die Ecke kauern, schreien, weinen, sterben. Aus Angst, Verzweiflung, Enge.
Und auf einmal stehen wir wieder am Flughafen und uns geht es gut. Wir haben alles, was wir brauchen und unsere Probleme erscheinen mir auf einmal nichtig.
Annika, Jahrgangsstufe 12 über die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz Februar 2020
s. auch Erinnerungskultur