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"in orbit" - Leben in der Luft?

Was unser Kurs im Ständehaus erlebte, war atemberaubend: 25 Meter hoch über der Eingangshalle des K 21 hat Tomás Saraceno riesige Netze gespannt. Seine Kunstwerk ist außergewöhnlich und anders, denn die Besucher dürfen es anfassen und sogar betreten. Es ist ohne Sicherung begehbar, man erlebt es wie einen Kletterpark, von dem aus die Museumsbesucher am Boden wie winzige Figuren aussehen.

Die Installation besteht aus einer 2500 qm großen Stahlnetzkonstruktion unter einem riesigen Glasdach, die auf drei Ebenen verspannt und unterschiedlich fest ist und von großen silbernen Kugeln, wie überdimensionale Wasserbälle, die an Planeten im Weltall erinnern, auseinandergehalten wird.

Wir haben das Konstrukt mit Vorsicht betreten, und unsere ersten unsicheren und wackligen Schritte gewagt. Respekt vor der Höhe und die Instabilität machten es schwer, das Gleichgewicht zu halten, da die Netze elastisch wie ein Trampolin sind; manche fielen hin. Die nächsten Schritte dienten der Erkundung und Gewöhnung. Mit ausgesteckten Armen tasteten wir uns voran. Wir erkundeten die anderen Etagen, wo man sich gemütlich auf Kissen legen konnte. Je höher man kam, desto sicherer fühlte man sich, weil nun ja mehrere Netzebenen unter einem lagen. Aber die ganze Zeit über spürte man die Schwingungen der dünnen Netze, die von einem selbst und den anderen ausgelöst wurden. Einige wenige von uns blieben am Rand, hielten sich fest, von Unsicherheit erfasst. Aber natürlich gab es auch andere, die sich schnell gewöhnten und wie selbstverständlich frei im Raum bewegten. Sie schafften es, die monströse Höhe auszublenden - in dem Wissen, dass die Netze nicht reißen würden. Man lief mit großen Schritten, verhielt sich aufgeregter als am Boden, weil das Empfinden auf den Netzen so anders war. Man fühlte sich wie im Weltraum, aber auch klein und eingeschränkt, obwohl man zu allen Seiten über den Bewegungsraum hinausblicken konnte. Was verwunderte, war die Stille.

Saraceno ermöglichte es uns, einen ganz anderen Raum zu betreten, eine Art „Freiheit“ zu spüren, ein außergewöhnliches Empfinden, so als wäre man auf einem anderen Planeten. Aufregung und neue unbekannte Gefühle, berauschende Gefühle. Manche von uns hätten gern ein ähnliches Exemplar im eigenen Zimmer.

Die Arbeit „in orbit“ und die Idee, das fremde Leben in der Luft zu entdecken, ist auch deshalb so interessant, weil sie sich mit einem Problem auseinandersetzt, welches uns in naher Zukunft betreffen könnte. Saraceno hat sich darüber Gedanken gemacht, wohin wir ausweichen könnten, wenn kein Platz mehr auf der Erde ist. Durch eine seltene Spinnenart und ihre außergewöhnlichen Netzkonstruktionen inspiriert, kam ihm der Gedanke, in die Luft auszuweichen. Ein einzelner Strang würde dabei nicht halten, nur das Konstrukt aus der Gesamtheit von Strängen hält. Durch sein Kunstwerk konnten wir entdecken, wie es ist, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben.

Auszüge von Michelle Kehbein, Jasmin Triller und Laura Zimmermann (Q1, 2016/Kuhn)