Von seinen geschichtlichen Anfängen her ist dem biblischen Glauben ein religionskritischer Zug eigen. Er wusste immer schon um die Differenz zwischen der Unverfügbarkeit des wahren Gottes, von dem wir uns kein Bild machen dürfen, und den selbstgemachten Götzen. Auf diese Weise fordert er Menschen auf, ihre „Götter" daraufhin zu befragen, inwieweit sie Ausgeburt ihrer eigenen Bedürfnisse sind. Dieser Prozess erreicht in den Evangelien einen Höhepunkt: Wo die Berufung auf den göttlichen Willen zum Mittel der öffentlichen Machtsteigerung wird, entlarvt Jesus dieses Gehabe und bringt stattdessen in seiner Person einen Gott zur Sprache, dessen Herz auch für die Opfer solcher Selbstbehauptung schlägt. Mit psychologischer Zwangsläufigkeit schlagen die solcherart entlarvten Selbstbehauptungsprozesse dann auf denjenigen zurück, der sie aufdeckt. In diesem Sinne ist das Kreuz Christi ein Ort der Aufklärung über die Ursachen menschlicher Gewaltbereitschaft, und es bezeugt die Grenzenlosigkeit einer göttlichen Liebe, die sich nicht einschüchtern und zurückweisen lässt von den Gewaltmechanismen dieser Welt.
Als solcher leistet gerade ein biblisch orientierter Religionsunterricht einen spezifischen Beitrag zur Klärung der Ursachen individueller und kollektiver Gewalt.